Zum Optimismus des Willens

Portrait eines gen Himmel blickenden bärtigen Mannes mit lockigem ergrauten Haar und Hornbrille, im Hintergrund Busch mit gelben Blättern

„Tot wäre, wer mit der Welt einverstanden ist, wie sie ist.“ Dorothee Sölle: die Wahrheit ist konkret.

Ceres, die römische Göttin, tritt plötzlich unter den blutbefleckten Wilden auf, nimmt einem wilden Jäger den Speer aus der Hand und zieht damit eine Furche in die Erde, in die sie ein Korn aus ihrer Ährenkrone wirft, sogleich erwächst daraus ein unermessliches Kornfeld, und so hängt das Überleben der Menschen nicht mehr vom blutigen Kampfe ab.

„Daß der Mensch zum Menschen werde,
Stift‘er einen ew’gen Bund
gläubig mit der frommen Erde,
seinem mütterlichen Grund …“ Friedrich Schiller

Aus den blutbefleckten Wilden machte die Göttin Ceres menschliche Wesen, die ab nun im gegenseitigen Respekt voreinander und in moralischer Selbstbeschränkung leben. Nur so können sich die Menschen mit ihren Nächsten verbünden, damit ein Zusammenleben in Eintracht möglich wird. Aus dieser sozialen Einheit erwächst Stärke, für jeden Einzelnen und für alle gemeinsam.

„Und allein durch seine Sitte kann er frei und mächtig seyn“ Schiller

Wir waren auf dem Mond, bestiegen alle hohen Berge hier auf unserer Erde, können Gravitationswellen aus den Tiefen des Raums und aus der Ewigkeit empfangen, haben alles, was uns umgibt, benannt und bestimmt, Analoges wandeln wir in Digitales, Horizonte lösen sich auf und auch das Hier und Jetzt.

All die Göttinnen und Götter entschwanden, zurück ließen sie ein Pfand, oder besser noch eine Gabe, für uns, die schwer auf uns liegt, ein Joch für manchen:

Die Freiheit

Die Freiheit zum Gemeinsinn, die Freiheit zum Teilen, das Miteinander, das uns erst zum Menschen werden lässt … Wir haben es nicht bewältigt, wir haben es nicht gekonnt.

Keine Ceres mehr in Sicht!

Doch kein Grund zu verzweifeln, Ceres ist nicht mehr, aber Kant naht.

Unsere Bosheiten, unsere Hybris, der Neid, die Gier, unsere Nachlässigkeit, unsere Egos, Kant nennt es unsere Widrigkeiten, Rohigkeiten, sie sollen sein, denn sie sind unsere Gehilfen auf dem Weg zum Menschsein. Geleitet von moralischen Willen, als höchstes Gut?, und der moralischen Gesinnung werden wir zivilisierte, anständige Menschen.

„Die Natur gab dem Menschen Vernunft und darauf sich gründende Freiheit des Willens … Er, der Mensch, sollte nämlich nicht durch Zustände geleitet, durch anerschaffende Kenntnis versorgt und unterrichtet sein … …der Mensch sollte, wenn er sich aus der größten Rohigkeit dereinst zur größten Geschicklichkeit, inneren Vollkommenheit der Denkungsart und dadurch zur Glückseligkeit empor gearbeitet haben würde, hiervon den Verdienst ganz allein haben … “ Immanuel Kant

Unsere Widerstände: Faulheit, Habsucht, Gier , Herrschsucht, Selbstsucht, all diese Rohigkeiten können wir zur Kultur entwickeln, zum Zivilisiert-sein.

Frönten wir einem arkadischen Schäferleben, Kant meint, in Eintracht, Genügsamkeit und Wechselliebe, blieben Talente auf ewig in ihren Keimen verborgen.

Die Menschen gutartig wie die Schafe, die sie weiden, würden ihrem Dasein kaum einen größeren Wert verschaffen, als dieses ihr Hausvieh hat. Sie würden das Leere der Schöpfung in Ansehen ihres Zweckes, als vernünftige Natur, nicht ausfüllen.

Und Kant weiter: Alle Kultur und Kunst, welche die Menschen ziert, die schönsten gesellschaftlichen Ordnungen sind Früchte der Ungeselligkeit, die durch sich selbst genötigt wird sich zu disziplinieren und so durch abgedrungene Kunst die Keime der Natur vollständig zu entwickeln.

Zwar könne man, aus krummen Holze, also woraus der Mensch gemacht ist, kein ganz Grades zimmern, aber die Annäherung zu dieser Idee ist uns auferlegt.

Das Gefäß, in dem das gelingen soll, ist bei Kant, eine vollkommene bürgerliche Verfassung des Staates.

Die menschliche Kulturleistung, – die menschliche Zivilisierung – trotz aller persönlichen Widrigkeiten, führt uns Stufe für Stufe hinauf zur Menschlichkeit, zur Verantwortung für uns und den Nächsten, das schließt die ökologische, ökonomische Verantwortung mit ein.

Portrait eines bärtigen Mannes mit lockigem ergrauten Haar und Hornbrille

„quod bonum commune potius est bono privato“, nannte es Thomas von Aquin (kurz: Gemeinwohl geht vor Eigenwohl)

Richard Rorty meint, das einzig verbleibende Prinzip einer aufgeklärten Moral sei Solidarität im Sinne von Mitgefühl mit Subjekten, mit denen man sich einem “Wir” zugehörig fühlt.

Weiten wir diesen Solidaritätsbegriff auf Zuverlässigkeit, Loyalität, Freundschaft, Nächstenliebe und Brüderlichkeit aus und integrieren wir in unserer Brüderlichkeit das mögliche Vorhandensein, das Aufkommen von Angst und Konkurrenz, kommen wir ins Wissen: Gemeinsames bindet, Einzelnes trennt! Einer für Alle, hieß es doch einmal.

Daraus folgt und begründet sich unsere Verantwortung dem Nächsten, uns folgenden Generationen, den Tieren gegenüber und unsere ökologische Verantwortung.

Der Weg, der Verantwortung Gewicht zu geben, sie lebbar zu machen, gelingt im solidarischen, kooperativen Miteinander. Die Aufgaben, die uns gestellt sind, lassen sich nur noch in einem qualitativen Miteinander bewältigen.

„Wenn ich mir etwas wünschen dürfte, so wünsche ich mir weder Reichtum noch Macht, sondern die Leidenschaft der Möglichkeit, ich wünsche mir ein Auge, das, ewig jung, ewig von dem Verlangen brennt, die Möglichkeit zu sehen.“ Søren Kierkegaard

Sehen wir uns um, haben wir wenig Grund zur Hoffnung, dass es gelingt. Aber wir haben gute Werkzeuge, einen klaren Verstand und Mitgefühl, Willen und Verantwortung und das Wissen, wir sind nicht allein, das sind der Möglichkeiten genug.

Begreifen wir soziale Strukturen auch als Bändigung asozialer Impulse, sind wir auf dem rechten Weg.

„Ich fühle Mut, mich in die Welt zu wagen,
Der Erde Weh, der Erde Glück zu tragen,
Mit Stürmen mich herumzuschlagen
und in des Schiffbruchs Knirschen nicht zu zagen.“
Faust – Johann Wolfgang von Goethe


Portrait eines bärtigen Mannes mit lockigem ergrauten Haar und Hornbrille

Über den Autor

Werner Lampert (geboren 1946 in Vorarlberg/Österreich) zählt zu den Wegbereitern im Bereich nachhaltiger Produkte und deren Entwicklung in Europa. Der Biopionier beschäftigt sich seit den 1970er-Jahren intensiv mit biologischem Anbau. Mit Zurück zum Ursprung (Hofer) und Ja! Natürlich entwickelte er zwei der erfolgreichsten Bio-Marken im deutschen Sprachraum.

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