Urban Farming – Nahrungsmittel vor der Tür

Als Gegenmodell einer industrialisierten und konzentrierten Lebensmittelerzeugung versuchen immer mehr Menschen in den Städten, aber auch am Land, durch den Anbau von Lebensmitteln ihre Unabhängigkeit und ihren Eigenversorgungsgrad zu erhöhen.

Warum urban und home farming?

Während in Russland durch die so genannten Dacha-Gärten ein hoher Anteil der Selbstversorgung gewährleistet wird, werden in Amerika und Europa die vorhandenen privaten und öffentlichen Grünflächen erst sukzessive der Lebensmittelerzeugung gewidmet. Der Wunsch der Stadtbevölkerung, aber auch der Menschen mit eigenem Garten nach dem Anbau eigener Lebensmittel hat mehrere Gründe. Einerseits stellt ein Garten die Verbindung mit der Natur wieder her und andererseits ist man von der Gesundheit selbst angebauter Nahrungsmittel überzeugter. Ökologisch gesehen ist der Eigenanbau jedenfalls optimal, denn mehrere Studien haben bewiesen, dass biologischer Anbau und saisonale Ernährung ohne beheizte Glashäuser am wenigsten Energie verbrauchen(Quelle: 1,2). Dies ist sogar noch wichtiger als die Regionalität von Nahrungsmitteln. Der eigene Garten braucht auch nicht besonders groß zu sein. Es gibt inzwischen viele ausgeklügelte Systeme, die auch Menschen ohne Garten einen Anbau von Gemüse, Kräutern und kleinen Obstsorten ermöglichen. Ein Balkon oder eine Terrasse oder auch nur ein großes helles Fenster reichen schon um verschiedene Gemüse oder Kräuter anzubauen. Werden die Pflanzen dann auch noch aus Samen gezogen, ist der Energieaufwand für den Anbau minimal. Außerdem ist das Erleben von Wachstum und der eigenen Ernte vor allem auch für Kinder, die in der Stadt aufwachsen sehr wichtig. Selbst geerntetes Gemüse ist auch stets frisch und unverpackt. Es wird sofort verkocht und verdirbt daher nicht, was zu einer unvergleichlich guten Energiebilanz führt.

Das Potential zur Ökologisierung der Lebensmittelversorgung

In Österreich gibt es fast 2 Millionen Ein- oder Zweifamilienhäuser mit genug Fläche um einen guten Teil der Eigenversorgung für die darin wohnenden Familien zu gewährleisten. Aber auch in vielen Städten Europas existiert eine große Zahl an Kleingärten. Wien alleine hat fast 40.000 Parzellen. Die meisten davon eignen sich natürlich auch zur Nahrungsmittelerzeugung. Eine komplette Selbstversorgung ist zwar kaum möglich, jedoch lässt sich auf einer Fläche von 100 bis 200 m² der Bedarf einer Person an Gemüse, Kräutern und Kleinobst zumindest in der Vegetationszeit von April bis Oktober/November decken. Die zunehmend milderen Winter im Alpenraum verlängern die Gartensaison inzwischen außerdem deutlich. Daher wird das ökologische Gärtnern rund um die eigenen 4 Wände immer interessanter. Zunehmend mehr Gemeinden stellen auch öffentliche Grün- und Brachflächen zum Anbau von Lebensmitteln zur Verfügung. Wie sich gezeigt hat, können solche Stadt- oder Gemeinschaftsgärten bei guter Planung interessante Projekte im Sinne sozialer und ökologischer Nachhaltigkeit werden.

Beispiele für home bzw. urban farming

Die Dacha-Gärten in Russland.

Diese gehören sicher zu den anschaulichsten Beispielen von Selbstversorgung. Die durchschnittliche Fläche eines Dacha-Gartens beträgt nur ca. 600 m2. Insgesamt werden in diesen Gärten auf nur 6% der verfügbaren Agrarfläche etwa 40% der gesamten russischen Lebensmittel erzeugt. Bei bestimmten Gemüse- und Obstsorten liegt die Selbstversorgung bei über 80%.

Organoponicos in Kuba.

Havana hat nach einer Wirschaftskrise Anfang der 1990er Jahre schnell auf Eigenversorgung mit Lebensmitteln umstellen müssen, damit die Bevölkerung nicht hungern musste. Inzwischen werden durch urban farming 34.000 ha bewirtschaftet und nur mehr etwa 16% der gesamten Lebensmittel importiert.

Die Stadtfarm von Jules Dervaes.

Mitten in Passadena, Kalifornien hat ein Mann sein 800 m2-Grundstück in eine Stadtfarm umgebaut. Inzwischen werden auf einer Fläche von nur 400 m2 eindrucksvolle 2-3 Tonnen Obst und Gemüse pro Jahr produziert.

Detroit (USA).

Detroit hat nach dem Niedergang der einst gut gehenden Industrie dringend Lösungen gebraucht, um die massive Abwanderung zu verhindern. Daher haben viele der nicht abgewanderten Menschen begonnen Selbstversorgergärten anzulegen. Die Organisation earthworks zum Beispiel betreibt einige dieser Gemeinschaftsgärten.7

Toronto (Kanada).

Auch in der kanadischen Großstadt Toronto haben sich zahlreiche Menschen zur Gründung von Gemeinschaftsgärten zusammen gefunden. Inzwischen gibt es dort weit mehr als 100 community und school & children’s gardens.

Übelbach (Stmk, Österreich).

Als erste essbare Gemeinde Österreichs hat sich Übelbach bei Graz einen Namen gemacht. Dort werden inzwischen auf verschiedenen öffentlichen Flächen Nahrungsmittel angebaut. Menschen aller Altersstufen beteiligen sich an diesem Projekt.

Probieren Sie es doch einfach selbst aus!

Wenn Sie keine oder wenig Erfahrung im Gartenbereich haben, wenden Sie sich an die Gärtner, Landschaftspfleger oder an eine der vielen Organisationen die Gemeinschaftsgärten betreiben oder verwalten, aber wagen Sie den Schritt in die (teilweise) Selbstversorgung. Sie werden viele interessante und verantwortungsvolle Menschen treffen, die sich am selben Weg befinden.


Über den Autor Dr. Jürgen Herler

Dr. Jürgen Herler hat Biologie (Zoologie und Ökologie) in Graz und Wien studiert. Nach vielen Jahren in der meeresbiologischen Forschung wurde ihm klar, dass zu große Kreisläufe, vor allem in der Nahrungsmittelerzeugung, unsere Ökosysteme viel zu stark belasten. Verlust von Stickstoff und Phosphat in den Böden und Überdüngung der Gewässer mit diesen Nährstoffen führt auf beiden Seiten zu enormen Problemen. Unternehmerisch hat er sich daher das Ziel gesetzt, mehr essbare Gärten zu schaffen. Mit seinen Gartentürmen hilft er damit auch Menschen, die gar keinen Garten haben und fördert die Lebensmittelerzeugung auf kleinstem Raum. Ein großes Anliegen sind ihm dabei eine ständige Weiterentwicklung seiner Produkte und die Kooperation mit regionalen Partnern: www.herbios.at.

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